Rede von unserem Stadtrat Udo Bütow:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Mit der Bebauung von Grundstücken oder ganzen Stadtquartieren verbinden viele Leute eigene Vorstellungen und Wünsche.
Als wichtigstes ist vermutlich schöne Architektur und Stadtplanung zu nennen. Natürlich sollen schöne Wohn- und Arbeitsräume entstehen, schöne Plätze zum Verweilen, mit Einzelhandel und Gastronomie, sozusagen ein Wohlfühlklima für alle. Wichtig ist, daß die erwarteten Funktionen erfüllt werden. Und manche wollen auch Zeichen setzen, für Fahrräder – gegen Autos. Das sind eine große Menge an Erwartungen.
Deswegen wären hier viele Themen zu besprechen. Ich will mich aber auf ein, nach unserer Auffassung essenzielles Thema beschränken. Die Grüngestaltung des Gebietes ist natürlich auch wichtig, aber ich will es bei dem Hinweis belassen, daß Leipzig eine sehr grüne Stadt ist, daß die vergangenen Generationen es verstanden haben, ohne viel bürokratischen Aufwand eine hinsichtlich Grünflächen-Angebot attraktive Stadt zu schaffen und daß das unbedingt so weiterverfolgt werden soll.
Im vorliegenden Fall soll auch ein autoarmes oder sogar autofreies Quartier geschaffen werden. Genannt wird das Leuchtturmprojekt und neben anderen Maßnahmen sollen die zu errichtenden Kfz.-Stellplätze radikal reduziert werden. Da wird per Verbot festgeschrieben, daß die nach Stellplatz-Satzung zu errichtenden Stellplätze – das wären regulär nicht mal einer pro Wohnung – in ihrer Zahl noch einmal gevierteilt werden.
In dem Quartier werden über 300 Wohnungen gebaut, ca. 1.500 Menschen werden dort arbeiten und ca. 4000 studieren.
Eine Prognose, eine Modellrechnung, ein Verkehrskonzept, das Analyse und Entscheidungsgrundlage gibt, existiert nicht. Nein, hier ist’s ganz großes Kino: man will es so. Man will die Stadt autoarm. Daß das auf hier vorgesehenen Weg klappt, da muß man nur ganz fest dran glauben.
Mit den Gedanken daran, daß dort neben Rettungsfahrzeug-Aufstellflächen zahllose Lieferdienste, Pflegedienste, Service-Fahrzeuge für Handwerker und sonstige private Dienstleistungen bis hin zu Umzugsfahrzeugen Platz benötigen, hat sich niemand groß gequält. Das kann ja in der Fußgängerzone stattfinden; dafür ist sie ja verkehrsberuhigt.
Die Stellplatzsatzung ist ein technisches Regelwerk, um Schaden vom öffentlichen Raum abzuwenden und die Qualität des Straßenraumes sicherzustellen. Sie mit einem Verbot für ausgewählte Verkehrsarten außer Kraft zu setzen ist wenigstens fahrlässig. Erreicht werden hier zwei Effekte:
Erstens: Menschen – potentielle Mieter oder Eigentümer – für deren berufliches oder privates Leben private Kfz. notwendiger Bestandteil ist, werden ausgegrenzt. Und / oder Zweitens: deren Fahrzeuge werden in der Umgebung abgestellt. Absehbar ist, daß der Parkplatz-Nutzungsdruck durch Ausfall der Parkfläche Leuschnerplatz und die Verdichtung der Wohnnutzung erheblich steigen wird.
In der Stadt gibt es ja einige Gebiete in denen wegen solcher Überlastung Probleme auftreten; beim Lieferverkehr, beim Service-Verkehr und nicht zuletzt beim eventuell notwendigen Rettungsverkehr. Die Gefahr, daß auch hier, in den Straßen der Umgebung solche Zustände eintreten, ist durchaus gegeben. Dort sinkt die Qualität des öffentlichen Raumes. Die Probleme, um deren Lösung wir dann „kämpfen“ (wobei ich „kämpfen“ ausdrücklich in Anführungszeichen meine), schaffen Sie hier gerade selber.
Der Forderung nach einem grundlegenden Verkehrskonzept wurde von der Verwaltung halbherzig zugestimmt. Wir haben aber erhebliche Zweifel, ob ein zusätzliches Kapitel in der Begründung zum B-Plan dafür ausreichend ist. Es ist ja auch noch nicht da. Damit wurde jede Analyse auf die lange Bank geschoben. Aber was dem Faß den Boden ausschlägt ist: die Forderung des Grünen-Änderungsantrages, die Stellplätze noch weiter zu reduzieren, als die Halbierung bis dahin, wurde auf ganz kurzem Weg in den B-Plan-Entwurf aufgenommen.
Im Zuge der Diskussion zur neuen Stellplatzsatzung wurde festgestellt, daß diese einen Beitrag zu einer Mobilitätswende nicht aus sich selbst heraus leisten kann, denn das hängt von zu vielen Randbedingungen ab.
Es geht aber darum, Schaden von der Stadt abzuwenden, denn der Stellplatzdruck wird so keinesfalls geringer. Es gibt für das Verbot, für die Bewohner und Nutzer ausreichend Parkplätze zur Verfügung zu stellen, außer dem unbedingten Willen, das so haben zu wollen, keine sachliche Basis und keinen Anhaltspunkt, daß das funktioniert.
Allen, die hier glauben, auf ein eigenes Auto verzichten zu wollen und zu können, sei hier auch mal auf die Erfahrungen anderer Städte verwiesen. Mir persönlich bekannt ist das aus Frankfurt am Main, wo ganze Stadtviertel für die Studenten auf „verkehrsberuhigt“ umgestellt wurden. Nachdem das Studium beendet war, zogen die Leute aber nicht weg. Und die dann oft notwendigerweise angeschafften Fahrzeuge mußten irgendwo hin. Dort sucht man nun schonmal eine Viertelstunde nach einem Parkplatz und läuft dann auch noch 10 min bis zur eigenen Haustür. Verzicht findet dort nicht mit erkennbarer Wirkung statt.
Es geht hier um Wünsche, die eigentlich Träume sind. Wenn diese Träume zum Dogma werden, wenn man Verknappung und Bevormundung nicht nur in Kauf nimmt, sondern anstrebt, dann wird die AfD-Fraktion dieser Beschlußvorlage nicht zustimmen.
Die AfD-Fraktion hat verschiedene Änderungsanträge vorgelegt, um die zu erwartende Verkehrssituation zu analysieren und planerisch berücksichtigen. Das und weitere Vorschläge wurden abgewehrt.
Sehr geehrte Damen und Herren, wischen Sie die Forderung nach einer großen Tiefgarage bitte nicht einfach so vom Tisch. Dort kann die ganze Müllabfuhr abgewickelt werden, der Zulieferverkehr natürlich auch, dort können Paketstationen und Ladestationen für Elektroräder eingerichtet werden und dort müssen Parkplätze z. B. für Pflegedienste und weitere bereitgestellt werden. Dann hätten wir oberirdisch wirklich Aufenthaltsqualität. All das gehört in einem Verkehrskonzept betrachtet und das geht nicht in ein paar Zeilen zur Begründung des B-Planes oder in einer Protokollnotiz. Das schlichte Verbot von Kfz.-Stellplätzen nimmt jedenfalls mittlerweile Züge eines Kulturkampfes an. Da ist so gähnend langweilig wie einfallslos.
Noch etwas: Die Auffassung, daß es notwendig ist, entlang der Grünewaldstraße eine einheitliche Trauflinie herzustellen, ist nicht einfach nur die Idee unserer Fraktion. Sie stützt sich auf vorgetragene Empfehlungen von Fachleuten, der Leipziger Architekteninitiative. Das wird von der Verwaltung leider anders gesehen. Da geht’s wohl mehr um Masse als um Klasse.
Wir stellen unsere Anträge hier zur Abstimmung und bitten um Ihre Zustimmung. Wir sind überzeugt, daß Stadtplanung nutzungstechnisch und raumplanerisch großzügig angelegt sein muß und nicht auf Verknappung und bürokratische Regulierung zielen darf, um zukunftsträchtig zu sein. Die Leipziger Planer und Baumeister haben uns das in der Vergangenheit durchaus gezeigt wie’s geht. Diesen Weg dürfen wir nicht verlassen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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